Fragerunde
OFC
mit Jörg Moll
10.02.2017
An dieser Stelle gibt es
normalerweise ein Interview mit dem Tippmeister. Da ich selbst aber
erst vor
einem Jahr interviewt wurde, dachte ich mir, es wäre interessanter,
stattdessen
ein paar Fragen an unseren Tipper Jörg Moll zum Thema Offenbacher
Kickers zu
richten. Jörg arbeitet seit Jahren in der Sportredaktion der Offenbach
Post und
ist so über den OFC sehr gut informiert. Für alle Tipper, die sich
nicht für
den OFC interessieren tut es mir leid, immer noch besser als ein
weiteres
Interview mit mir...
Hallo Jörg!
Seit wann arbeitest Du schon für die Offenbach Post und wie lange
kümmerst Du
Dich um den OFC? Wie sieht Deine Arbeit bezogen auf die Kickers denn so
ungefähr aus?
Jörg:
Zu meiner Jobbeschreibung:
Ich bin
Tageszeitungsredakteur. Seit Oktober 2011 wieder für die
Offenbach-Post, bei
der ich 1996 als Freier Mitarbeiter erste Artikel veröffentlicht und
2000 ein
journalistisches Volontariat absolviert habe. Anschließend habe ich
fast zehn
Jahre schwerpunktmäßig in der Sportredaktion des Hanauer Anzeiger
gearbeitet,
ehe 2011 eine Stelle in der Sportredaktion der OP frei wurde. Beim HA
wie nun
auch wieder in Offenbach ist die Berichterstattung über Kickers
Offenbach ein
Schwerpunkt meiner Arbeit. Ich schreibe also mittlerweile seit 16
Jahren über
den Klub, der so viel Leidenschaft erzeugt, aber leider auch genauso
viele
Leiden schafft.
Zu meiner Arbeitsweise in
Sachen OFC: Die Kickers sind noch immer ein
echtes Alleinstellungsmerkmal in unserer Berichterstattung.
Das lässt sich an vielen
Faktoren festmachen, unter anderem an den Reaktionen
in unseren Online-Foren, Leserbriefen, Reaktionen bei Facebook, etc.
Wir sind
also - ohne arrogant zu wirken - eine Plattform, um sich eine Meinung
über den
OFC zu bilden. Weil sich das trotz des sportlichen Niedergangs in den
vergangenen Jahren kaum verändert hat, berichten wir beinahe täglich
über den
OFC. Dabei hilft der persönliche Kontakt zu Spielern, Trainerteam,
Vorstand
etc. Unter Rico Schmitt war das oft nicht ganz so einfach, weil er
anwies, dass
wir grundsätzlich erst mit der Geschäftsführung/Pressestelle Interviews
anmelden mussten. Unter Oliver Reck gibt es diese Direktiven nicht.
Dafür ist
der Umgang mit ihm schwierig. Im Vergleich zu Bundesligisten ist die
journalistische
Arbeit in der Regionalliga aber noch immer Kindergeburtstag. Ab der 2.
Liga
entsteht heute fast keine Zeile mehr, die nicht vorher von
Pressestellen
gegengelesen (und oft genug weichgespült) wurde.
Urs:
Abgesehen von der momentanen sportlichen Situation
scheint die Gesamtlage
der Kickers alles andere als rosig. Die Konkurrenz in der Regionalliga
ist
zahlreich und finanziell gut aufgestellt, während, wie man hört, den
OFC
drei Millionen Euro Schulden drücken.
Wie ist denn die genaue finanzielle Lage und wie will man jemals wieder
auf
einen grünen Zweig kommen?
Jörg:
Den aktuellen Schuldenstand
sollten die
Verantwortlichen selbst beziffern, der ändert sich ja auch durch neue
Vereinbarungen mit Altgläubigern. Aber ja, der OFC hat noch immer oder
immer
wieder ein Schuldenproblem. Es sind in der Summe vor allem Altlasten
aus der
Vergangenheit, in der teils unerklärliche handwerkliche Fehler gemacht
wurden,
die gravierende Folgen für Gegenwart und Zukunft des Klubs haben. Die
Altschulden sind vor allem ein Resultat der nicht vollkommen geglückten
Ausgliederung der Profi GmbH im Jahr 2010. Nach der Insolvenz 2013
fielen daher
in Folge einer so genannten Nachranghaftung Forderungen von der GmbH an
den
Gesamtverein (e.V.) zurück.
Dass die Profi GmbH 2016
aber erneut Insolvenz anmelden musste, ist noch immer
ein Streitthema. Auch Gutachter kommen zu unterschiedlichen
Ergebnissen, aber
oft zur gleichen Analyse. Grundsätzlich gilt: Der OFC hat das Problem
zu hoher
Ausgaben gepaart mit zu hohem Anspruchsdenken und zu optimistischen
Planungen
schon sehr lange. Ich bezeichne das als den Fluch eines Getriebenen.
Eines
Traditionsvereins, den Verantwortliche und Fans stets höher sehen, als
er
gerade spielt. Ein Beispiel: Wer erinnert sich noch zurück an das erste
Jahr
des Stadionneubaus, als unter Wolfgang Wolf Typen wie Olivier Occean,
Denis
Berger etc. für nicht ganz kleines Geld in Offenbach 3. Liga spielten?
Dass die
Mannschaft im Pokal damals sogar Dortmund rauskegelte, war im
Nachhinein auch
durch extrem lukrative Prämienvereinbarungen erklärbar. Zudem sollte
damals -
mitten in der Bauphase - unbedingt der Aufstieg in die 2. Liga
gelingen. Die
Folgen sind bekannt: Der Aufstieg scheiterte, die Korrekturen auf
Trainerbank
und im Kader kosteten viel Geld. Von den Pokaleinnahmen blieb nichts,
Occean
wurde verscherbelt, Rode auf geradezu groteske Weise noch mehr.
Gravierende Folgen hatte das
Ganze aber erstmals, als der damalige Präsident
Dr. Frank Ruhl mit seinem Geschäftsführer David Fischer nach der
verweigerten
Lizenz für die 3. Liga 2013 Insolvenz anmelden musste. Das hat zwar
alle Zahlen
endlich ans Licht gebracht, aber eben den Verein auch entscheidend
zurückgeworfen und enorm viel Vertrauen gekostet. Alle nachfolgenden
Präsidien
waren oder sind noch immer sehr stark mit der Aufarbeitung der
hochkomplexen
Vorgänge beschäftigt. Dass es unter Rico Schmitt dennoch gelang, 2015
Meister
zu werden und im DFB-Pokal zu glänzen, war für mich durchaus eine
Überraschung.
Dass nach dem bitteren Scheitern gegen Magdeburg die Probleme noch
größer
werden sollten, dagegen nicht. Der Depression war eine Phase der
Lethargie
gewichen, die Planung für die Saison 2015/2016 daraufhin zu
optimistisch und
damit riskant.
Urs:
Tabellenplatz und weiter sinkenden Zuschauerzahlen scheinen Ausdruck
dafür
zu sein, dass die Talfahrt noch nicht beendet ist.
Siehst Du denn Hoffnung am Horizont? Wie beurteilst Du den neuen
Präsidenten? Können er und sein Team Vertrauen zurückgewinnen?
Gibt es einen Plan oder wird es am Ende wieder das Kickers typische
Chaos
sein?
Jörg:
Ich denke, wenn es dem OFC
gelingt, diese Saison
nicht abzusteigen, ist, um mal die Börsensprache zu bemühen, die
Bodenbildung
erreicht. Das aktuelle Präsidium hat einiges auf den Weg gebracht, die
Einigung
mit Ruhl beispielsweise. Wie sich Sead Mehic als Leiter des
Nachwuchsleistungszentrums schlägt, wird man erst später beurteilen
können.
Dazu scheint die Geschäftstelle endlich wieder besetzt. Der
Zuschauerrückgang
ist für mich nicht überraschend. Er ist natürlich Folge des Misserfolgs
und der
latent schlechten Stimmung, aber auch andere haben ja signifikante
Rückgänge.
Der Spielplan war meines Erachtens auch eher ungünstig.
Entscheidend wird aber sein:
Der OFC muss die Liga halten. Und da scheint mir
die Einschätzung der Verantwortlichen zumindest etwas zu sorglos.
Urs:
Apropos Frank Ruhl. Bei diesem Thema lässt sich ja
nur schwer durchblicken.
Er soll riesige Schuldenberge aufgekauft haben, angeblich für
Bruchteile des
eigentlichen Werts. Dann hat er den OFC verklagt und nun ist er
Mitglied im
Aufsichtsrat. Kannst Du da etwas Licht ins Dunkel bringen? Wie siehst
Du die
Rolle von Herrn Ruhl? Hat er mit seinen gesammelten Schulden den OFC
nicht
irgendwo in der Hand?
Jörg:
Das Thema Frank Ruhl ist ein
sehr diffiziles.
Als Gönner einst von Thomas Kalt - übrigens in einem Gremium mit Remo
Kutz -
ins Boot geholt, hat er dem Verein grundsätzlich eher nicht schaden
wollen. Selbst
mit dem Aufkauf von Forderungen aus der Insolvenz wohl eher nicht.
Einige davon
(vor allem die des Vermarkters Sportsman) waren nicht ungefährlich für
den
Verein. Wären sie fällig gestellt worden, hätte das unabsehbare Folgen
haben
können. Dass er sie teils zu einem deutlich niedrigeren Preis erworben
hat, ist
in der Wirtschaftswelt durchaus üblich. Beim Gang vor Gericht ging es
um die
Anerkennung der Forderungen - und da zeigte sich bei der
außergerichtlichen
Einigung, dass Ruhl ja einen Großteil seiner Forderungen wohl zu Recht
stellte.
Unstrittig ist: Er ist eine sehr von sich überzeugte Persönlichkeit und
mit
großem Geltungs- und Sendungsbewusstsein gesegnet. Mit diesen
Eigenschaften
polarisiert er natürlich sehr. Dass es dem Präsidium - und hier
maßgeblich
Michael Relic - gelang, eine Einigung mit Ruhl zu erreichen, erachte
ich als
Vorteil für den Verein. Denn es ist einfacher, Ruhl mit im Boot zu
haben und
mit ihm umzugehen, als ihn "zum Feind" zu haben. Mich persönlich
überrascht einfach, was dieser Mann am OFC so toll findet. Wer im
Fußball als
Investor einsteigen will, könnte das auch einfacher - und ganz sicher
ertragreicher haben.
Urs:
Du sagtest, man könne die Arbeit von Sead Mehic als
Leiter des Nachwuchsleistungszentrums erst später beurteilen. Was ist
da
überhaupt los in der Kickers-Jugendarbeit? Man bekommt ja nicht viel
mit, aber
die Jugendtrainer verlassen den OFC reihenweise. Dabei ist ein
zertifiziertes
Nachwuchsleistungszentrum für einen Regionalligisten doch
außergewöhnlich. Wenn
man bedenkt, dass die jungen Spieler, anders als bei den Bundesligisten
des
Rhein-Main-Gebiets, beim OFC gute Chance haben, direkt in die 1.
Mannschaft zu
kommen, ist es schon verwunderlich, wie schwach die Kickers-Jugend
agiert.
Dabei ist doch gerade eine erfolgreiche Jugendarbeit eine der wenigen
längerfristigen Hoffnungen des OFC. Bedeuten die vielen Abgänge der
Jugendtrainer etwa, dass Mehic das Leistungszentrum ganz neu und
professioneller aufstellt?
Jörg:
Ich sehe die Jugendarbeit
des OFC nicht so negativ.
Dass es die B-Jugend nach dem Aufstieg ganz schwer haben würde, war
klar. In
der Bundesliga konkurriert sie bis auf Unterhaching und die Stuttgarter
Kickers
ausschließlich gegen den Nachwuchs von Erst- und Zweitligisten. Die
B-Jugend
ist Dritter der Hessenliga, die C-Jugend Zweiter mit
Meisterschaftschancen.
Also das ist schon ok.
Umbauten im Trainerbereich
sind nicht unüblich, dass es einige Trainer zu
größeren Nachwuchsleistungszentren zieht, zeigt, dass der OFC nicht so
schlecht
gearbeitet hat. Wie ich schon sagte: Sead Mehics Arbeit als neuer
Leiter des
Nachwuchsleistungszentrums wird also erst in der kommenden Saison
richtig zu
bewerten sein. Das einzige, worüber man streiten kann, war die
Abmeldung der
zweiten Mannschaft. Das ist zwar Trend bei vielen Klubs, aber ich kann
es nicht
nachvollziehen. Ein gravierenderes Problem ist: Eine gute Jugendarbeit
muss
nicht zwingend bedeuten, dass es die Spieler auch tatsächlich in die
erste
Mannschaft schaffen. Die aktuellen Beispiele Semih Sentürk und Aaron
Frey (von
Eintracht Frankfurt gekommen) zeigen, wie groß der Sprung selbst in die
Regionalliga ist. Und zudem darf man nicht vergessen: Wer richtig gut
in der
Jugend ist, ist meist schwer zu halten. Wenn Klubs mit glänzender
Nachwuchsarbeit wie Hoffenheim (dorthin ging beispielsweise ein Leon
Fesser)
oder auch die Eintracht (Aymen Barkok!) rufen, kann der OFC eben nicht
mithalten. Die zentrale Frage für die Kickers in den kommenden Jahren
wird
lauten: Macht es Sinn, das Nachwuchsleistungszentrum zu erhalten? Die
Unterstützung durch den DFB ist das eine, der Aufwand das andere. Und
mit jedem
Jahr der Viertklassigkeit der Profimannschaft wird diese Frage schwerer
zu
beantworten sein.
Urs:
Die Kickers-Jugend spielt schon seit vielen Jahren
oben mit in den Hessenligen, was aus Mangel an Konkurrenz auch keine
große
Leistung ist. Supertalente wie Leon Fesser oder Aymen Barkok kommen
auch in der
Bundesliga kaum zum Einsatz, für sie wäre es vielleicht besser, sie
hätten erst
mal beim OFC Spielpraxis gegen ältere Mannschaften gesammelt. Aber um
diese
„Supertalente“ geht’s eigentlich auch gar nicht, viel mehr müsste doch
das Ziel
sein, Spieler auszubilden, die das Spielsystem des OFC verinnerlicht
haben und
direkt in der 1. Mannschaft eine Verstärkung wären. Gerade weil der OFC
nur
Regionalliga spielt, müssten doch gute Jugendspieler aus dem
Rhein-Main-Gebiet
ihre Chance beim OFC suchen.
Um da was Nachhaltiges
aufzubauen braucht es natürlich ein umfassendes Konzept. Ich hatte die
Hoffnung
da könnte was passieren, nachdem OFC-Präsident Helmut Spahn
mehrfach von
der Wichtigkeit der Jugendarbeit gesprochen hatte. Hast Du denn den
Eindruck,
dass es da ein durchdachtes, umfassendes, nachhaltiges Konzept in der
Jugendarbeit gibt, oder wird genauso sporadisch weiter gemacht wie in
den
letzten Jahren und ein letzter Platz in der Bundesliga Süd weiter als
Erfolg
gewertet?
Jörg:
Nun, das ist wirklich ein
komplexes Thema. Fesser ist so ein Beispiel dafür,
wie schwer es ist, solche Spieler zu halten: Der hatte ein Angebot von
Hoffenheim. Da musst du als Talent einfach hingehen. Das sind
traumhafte
Bedingungen dort. Die Kickers wollten auch Luca Dähn (Alzenau), der zog
auch
Hoffenheim vor. Bei einem Spiel der 2. Mannschaft gegen den OFC
antwortete mir einst mal Ramon Berndroth, der als Scout für Darmstadt
98 da
war, auf meine Frage, welchen Hoffenheimer Regionalligaspieler er haben
wolle:
"Das ist unrealistisch, viele von denen verdienen mehr als bei uns in
der
1. Liga."
Immer deutlicher wird auch,
wie schwer es geworden ist, Spieler auf ein so
gutes Niveau zu bringen, dass sie Dir nach der Jugendzeit auch wirklich
helfen.
Schau' Dir mal Darmstadt an: Da baut Berndroth seit dreieinhalb
Jahren
ein Nachwuchsleistungszentrum auf. Die "Local Player", die der Klub
in den Profikader integrieren muss, fahren aber meist noch nicht mal
mit ins
Trainingslager. Da reicht es einfach von der Qualität nicht. Beim FSV
Frankfurt
sieht es nicht anders aus, von Wehen Wiesbaden ganz zu schweigen. Es
gibt
deutschlandweit vielleicht acht, neun Vereine, die das richtig gut
machen:
Schalke 04, wobei die gerade ihre Strategie ändern, RB Leipzig (ja, im
Ernst!!!),
1899 Hoffenheim, Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg - allesamt von großen
Konzernen gesponsert. Dann noch mit Abstrichen Borussia
Mönchengladbach, Werder
Bremen, Mainz 05 und der SC Freiburg. Letzteren beiden gelingt
das mit
vergleichsweise bescheidenem Gesamtetat. In Freiburg hat ja auch der
OFC oft
gespielt, da steckt sehr viel Knowhow drin. Das ist über Jahre
gewachsen und
nachhaltig aufgebaut worden. Und das ist der Unterschied zum OFC, aber
auch
verständlich: Machen wir uns nichts vor: Freiburg pendelt seit 20
Jahren
unaufgeregt zwischen erster und zweiter Liga. Der OFC war in dieser
Zeit voller
Turbulenzen länger viert- als zweitklassig. Das Budget ist seit Jahren
also ein
ganz anderes. Womöglich wird der OFC schon bald eine andere Strategie
wählen,
die auch nicht neu wäre: alles auf die erste Mannschaft setzen, um den
Profistandort zu sichern. Dynamo Dresden hat das übrigens so
gemacht -
und startete durch. Kontinuität im Jugendbereich und gutes Scouting in
der
Umgebung ist also sicher wichtig, aber halt auch nur nachhaltig, wenn
es nicht
rein auf Ehrenamt oder auf Low-Budget-Niveau erfolgt. Beides (Nachwuchs
und
Profis) auf höheres Niveau zu bringen, wird einfach Geld kosten.
Urs:
Du meinst also die Jugendarbeit
wird langfristig zu nichts führen, da die Kickers auch in diesem
Bereich
finanziell nicht mithalten können. Das ist schon etwas enttäuschend…
Fragt sich
wie der OFC, der stark verschuldet ist, jemals aus der Regionalliga
rauskommen
soll, wenn man bedenkt, dass der TSV Steinbach, Elversberg, Hessen
Dreieich,
Hoffenheim II usw. finanziell deutlich besser aufgestellt sind. Siehst
Du denn
überhaupt einen realistischen Weg, dass die Kickers in absehbarer Zeit
wieder
in der 3. Liga spielen? Wie könnte der denn aussehen?
Jörg:
Nein, das meine ich so
nicht.
Aber ich denke, Du musst Dich halt entscheiden, wenn Du so geringe
Ressourcen
hast. Ziehst Du das Ding als Ausbildungsverein durch oder nicht? Wenn
ja,
dauert das lange und bedarf eines Plans, der auch Misserfolg auf dem
Platz -
auch in der ersten Mannschaft - einkalkuliert. Freiburg kann das.
Da
spielt keine Rolle, ob die Profis erst- oder zweitklassig sind. Aber
kann das
der OFC? Da ist ein großer Unterschied, ob Du 4. oder 3. Liga spielst.
Von Liga
5 ganz zu schweigen. Es ist also eine Frage der Gewichtung. Und da
erkenne ich
im Moment keine schlüssige Strategie. Aktuell musste der Schwerpunkt
lauten:
Erste Mannschaft stärken! Der OFC hat noch 13 Spiele, um nicht
abzusteigen. Das wahrscheinlichste aller Szenarien sind sechs
Absteiger. Der OFC
ist 15., kann noch von Kaiserslautern II überholt werden. Er muss 13.
werden
und bis zu drei Teams hinter sich lassen. Logisch wäre also gewesen,
alle Hebel
in Bewegung zu setzen, um die Profis zu stärken bzw. personell zu
stabilisieren. Der Bedarf wurde ja selbst konstatiert. Ein Stürmer
sollte her.
Dass das nicht gelang, irritiert mich sehr.
Urs:
Ich persönlich denke, die
Mannschaft ist auch so stark genug den Klassenerhalt zu schaffen. Die
Spieler
waren halt zuletzt total verunsichert. Aber dass sie es drauf haben,
haben sie
zu Beginn der Saison mehrfach eindrucksvoll bewiesen. Und was mich
wirklich
beeindruckt ist die Moral dieser Mannschaft! Von daher sollten wir
jetzt
einfach mal zuversichtlich sein. Also angenommen, der OFC schafft den
Klassenerhalt, was glaubst Du, wie könnte man da langfristig was
aufbauen? An
welchen Schrauben müsste gedreht werden? Wenn Du die Macht hättest, was
würdest
Du persönlich ändern? Welche neuen Ideen würdest Du umsetzen?
Jörg:
Ich halte den Charakter der
Mannschaft auch für
gut, aber in puncto Qualität habe ich meine Zweifel. Vor allem, weil
die
Mannschaft nicht gefestigt genug wirkt, Probleme mit Gegnern hat(te),
die
defensiv spielen, und in der Breite nicht wirklich optimal
aufgestellt
ist.
Zudem ist die
Auswärtsschwäche mit nur einem Sieg
und insgesamt nur sieben Zählern besorgniserregend. Bei sieben
Auswärtsspielen
und nur sechs Heimspielen wird der Klassenerhalt alles andere als
leicht. Es
wird nur funktionieren, wenn alle gesund sind und konstant ihre
Leistung abrufen.
Ich bleibe bei meiner Skepsis, gönne diesen mutigen jungen,
charakterlich
absolut einwandfreien Kerlen aber sehr das Happy End. Und wenn das
geschafft
ist, könnte ich mir vorstellen, dass der OFC wieder etwas
optimistischer in die
Zukunft schauen kann. Aber nur, wenn die Verantwortlichen dem Klub eine
positive Geschichte verpassen, die sich auch Geldgebern bzw. Investoren
verkaufen lässt. Das und nur das wird - zusammen mit einer gewissen
Konstanz
auf verantwortlichen Positionen - eine bessere Zukunft ermöglichen.
Über kurz
oder lang wird es nur mit Investoren gehen. Dessen sollten sich auch
alle
Traditionalisten unter den Fans bewusst werden. Ohne neues und fremdes
Kapital
wird es der Profistandort Offenbach leider sehr schwer haben, fürchte
ich. Ansonsten
halte ich mich mit klugen Ratschlägen zurück. Das ist alles
populistischer
Quatsch. Die Aufgabe ist schwer genug, Respekt für alle, die es
anpacken.
Urs:
Wie meinst Du das denn mit „dem Klub eine
positive Geschichte verpassen“?
Und wie stellst Du Dir eine Zusammenarbeit mit
Investoren vor? Werden sie Anteile am Verein erhalten oder wieder
TV-Rechte
bekommen?
Jörg:
Ich denke, es geht nur über
eine Beteiligung an der
GmbH. Du musst ja einem Investor auch etwas bieten können. Wichtig
dabei wird
sein, wie der künftige Stadionvertrag aussieht, der ja im Sommer neu
ausgehandelt werden soll. Ich denke, dass sich da schon einige
Geldgeber in
Stellung gebracht haben, weil sie da durchaus auch Profit sehen. Und
das meine
ich nicht negativ für den Verein. Denn sind wir mal ehrlich: Fußball
lebt von
Investoren, die irgendwann auch mal was davon haben wollen. Sollen sie
auch,
wenn die Deals fair für alle sind. Schau Dir das so verhasste Red Bull
Leipzig
an: Dort verdient Mateschitz ziemlich sicher mittlerweile auch Geld.
Aber es
ist eine tolle Sache für alle Beteiligten. Leipzig wird neu
wahrgenommen. Das
Stadion ist voll, die Leute sehen super Fußball, noch dazu
erfolgreichen. Und:
Das Ganze ist sehr nachhaltig aufgebaut, wenn Du Dir den Nachwuchs von
RB
ansiehst. Stell' Dir mal vor, was in Offenbach los ist, wenn der OFC
ein
solches Unternehmen als Partner/Investor hätte. Was denkst Du, was
passieren
würde?
Urs:
Das Modell Leipzig ist natürlich keine tolle Sache
für alle Beteiligten, denn Traditionsvereine, die sich durch
jahrzehntelange
Verdienste einen Platz in den oberen Klassen erworben haben, werden so
von Vereinen
verdrängt, deren Legitimation einzig auf externen Finanzquellen beruht.
Genau
dieses Geschäftsmodell wird den Fußball langfristig kaputt machen. Wenn
man
sich anschaut welche „Dorfvereine“ mittlerweile in den Bundesligen
spielen, ist
dieser Zerfallsprozess ja schon jetzt weit fortgeschritten.
Mir persönlich wäre es lieber wenn der OFC noch
hundert Jahre in der Regionalliga spielt, als dass er zu einem
seelenlosen
Verein wie RB Leipzig mutiert. Wie soll ich mich denn über Erfolge
freuen, die
unsportlich, durch externes Geld, erkauft wurden?
Dieses Thema führt an dieser Stelle aber zu weit,
hier soll es ja um die Kickers gehen.
Kannst Du bitte die Sache mit dem neuen
Stadionvertrag genauer erläutern? Um was geht es denn da genau?
Jörg:
Also die Diskussion um
Investoren im Fußball kann
ich so nicht ganz teilen. Schau Dir die Leipziger Zuschauerzahlen an,
dann
siehst Du, dass das Invest durchaus sinnvoll ist. Da dürstete eine
deutsche
Großstadt nach gutem und erfolgreichem Fußball und bekommt ihn nun. Das
ist
doch begrüßenswert. Ein noch besseres Beispiel ist Dietmar Hopps
Engagement,
das eine ganze Region Rhein-Neckar belebt. Sprich mal mit Astoria
Walldorf: Da
ist jeder froh über Hopps Engagement, das in seiner professionellen
Konzeption
und Nachhaltigkeit absolut beeindruckend ist. Zudem sind mir solche
Klubs
allemal lieber als die radikalen Vertreter von so genannten
Kultvereinen, die
ich bei einigen Osttouren als Journalist auch schon erleben durfte. Und
machen
wir uns nichts vor: Klubs wie Erzgebirge Aue sind total charmant, aber
geführt
und am Leben gehalten werden sie eben auch von einem Unternehmerduo.
Im Profisport nutzen Dir die
Meriten vergangener Tage nichts. Und in gewisser
Weise ist die Diskussion auch scheinheilig. Kein deutscher Topclub
kommt ohne
Investoren aus. Borussia Dortmund, der FC Bayern sind
Aktiengesellschaften, in
die große Daxkonzerne richtig viel Geld investiert haben. Ohne die
Engagements
von Bayer, VW, RB, Gazprom, wäre die Bundesliga auf einem Niveau
einer
Saure-Gurken-Liga. Andere arbeiten mit Genussscheinen, um mehr Kapital
zu
generieren. Die Romantik im Profifußball ist längst Geschichte. Es wird
zwar
immer mal wieder nette Ausreißer wie Darmstadt 98 oder Leicester
City in
England geben, aber sie alle holt die
Realität schnell ein, weil die nachhaltigen Ressourcen fehlen. Es ist
also eine
Grundsatzfrage: Gehe ich den Fußball-Kommerz mit oder nicht? Mache ich
das nicht,
darf ich aber im Umkehrschluss auch nicht mehr auf eine Renaissance des
OFC
hoffen.
Zum Thema Stadion: Das ist
zu heiß und öffentlich noch nicht kommuniziert.
Insofern möchte ich dazu nicht ins Detail gehen. Nur so viel: Es werden
interessante Verhandlungen, in denen der OFC sicherlich auch um das ein
oder
andere Vermarktungsrecht kämpfen wird. Ziel muss es sein, bessere
Konditionen
zu erhalten. Generell ist das Stadion immer ein Thema, auch und gerade
bei
Investoren. Ein relativ neues Stadion mit guter Atmosphäre,
ausreichendem VIP-
und Business-Angebot und einem Anhang auf einer Gegengerade. Das sind
gute
Argumente.
Urs:
Na, das sind zum Abschluss dann doch mal positive
Neuigkeiten.
Jörg, ich Danke Dir für die vielen Einblicke und
die Zeit, die Du Dir genommen hast! Ich denke, dass die Tipper, die
dies
gelesen haben, nun manchen Zusammenhang besser verstehen
und unser Durchblick im„Kickers Chaos“ etwas
klarer geworden ist.
Weiter viel Erfolg bei Deiner interessanten Arbeit
und natürlich Gut Tipp!
Jörg:
Ich habe zu danken – vor
allem jenen, die das
Megagespräch bis zum Ende gelesen haben. Gut Tipp! Auch wenn mir das
Geheimnis
Deiner Tippkunst bisher verborgen blieb.
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